Nach vier Jahren pandemiebedingter Pause fand im Oktober 2022 wieder die internationale Motoradmesse INTERMOT in Köln statt. Wir haben uns natürlich für euch umgeschaut.
Die FAZ titelte am Eröffnungstag zur Intermot mit dem Schlagwort „Totgesagt“ und sprach von einer „Misere“ im Vergleich zur EICMA, die im November in Mailand stattfinden wird. Ist es „womöglich die letzte Intermot?“, da nur rund 500 statt zuletzt 1.000 Aussteller und ein „erschütternd fades Beiprogramm“ geboten wurden. Wir waren gespannt, wie unter diesen Umständen die e-Mobilität Berücksichtigung fand, denn immerhin waren eine Sonderausstellung „WORLD OF eNNOVATION“ und ein „eParcours“ angekündigt.
Unser erster Weg führte uns zu den etablierten Herstellern, was zeigen Honda, Kawasaki und Suzuki? Es folgte die Ernüchterung: NICHTS! Kein einziges e-Motorrad stand auf den riesigen Messeständen. Lediglich Ankündigungen konnten die Pressesprecher übermitteln. „In Kürze“ werde man auch e-Bikes anbieten. Kawasaki enthüllte eine den ersten EV-Prototyp, um ihn aber direkt wieder einzupacken. Dieser soll erst auf der EICMA umfangreich präsentiert und promotet werden. Honda kündigt für 2025 (!) gleich 10 neue Modelle an.
Immerhin: BMW zeigte neben der schon auf dem Green Tech Festival vorgestellten CE04 nun auch den Prototyp der kleineren CE02. Nähere Informationen waren vom Messepersonal nicht zu erhalten, außer dem Hinweis auf den „innovativen“ Halter für ein Skateboard – nun ja …
Es verfestigt sich der Eindruck, dass sich in der Motorradbranche das wiederholt, was den Autoherstellern in den letzten Jahren passiert ist: Die e-Mobilität wird bei den etablierten Herstellern ignoriert oder zumindest verschlafen. Und der „Tesla“ unter den Zweirädern kommt ebenfalls aus den USA, genauer aus Santa Cruz in Kalifornien: ZERO Motorcycles. Bereits 2006 gegründet, hat das Unternehmen eine fulminante Entwicklung hingelegt und präsentiert heute eine breite Modellpalette an Straßen- und Sport-Maschinen. Hierzu werden wir nochmals in einem gesonderten News-Artikel mehr berichten.
Ein weiteres spannendes Projekt wurde erst vor kurzem in Schweden auf den Weg gebracht: RGNT (sprich: Regent). Gezeigt wurde 2 Modelle No.1 „Classic“ und „Scrambler“, jeweils in 3 Varianten, mit einer Batterie-Kapazität von 9,5 kWh, die per Typ2-Stecker aufgeladen wird. Bei 9kW Dauerleistung sollen eine „Peak Power“ von bis zu 21 kW und eine Spitzengeschwindigkeit von 120 km/h erreicht werden. Als maximale Reichweite werden 148 km genannt.
Neben dem tollen Design und einer sehr guten Verarbeitung überzeugte uns vor allem auch das innovative Display: Klare Gestaltung, gute Lesbarkeit und sogar die Spiegelung des Smartphone-Display als Navigation werden geboten. Und auch ein „One Throttle Drive“ ermöglicht das Fahren ohne Bremse wie beim e-Auto mit gleichzeitiger Rekuperation, klasse!
Ebenso ein Newcomer, aber bereits mit einem ausgewachsenen Tourer-Bike (Experia) vertreten, ist ENERGICA aus Modena in Italien.
Die Batteriekapazität wird mit 19,6 kWh angegeben, die eine Reichweite (WMTC) von 222 km ermöglichen soll. In der Spitze sollen sogar 180 km/h erreicht werden, dann sind es natürlich deutlich weniger. Aber durch das mögliche DC-Schnellladen sollte ein Ladestopp nicht zu lange dauern.
Für Sportler wurde zudem das (nach eigenen Angaben) „leistungsstärkste e-Motorrad der Welt“ präsentiert, die „Ego“. Konzipiert für die Rennstrecke, aber auch für die Straße geeignet. 110 kW Dauerleistung und eine Spitzenleistung von 126 kW beschleunigen in 2,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h und ermöglichen bis zu 240 km/h Spitze. Damit soll sogar eine Reichweite von rund 100 km möglich sein.
Intermot 2022 zeigt deutlich vielfältigeres Angebot an Fahrzeugtypen
Inzwischen hat auch die Zweirad-Branche erkannt, dass gerade im Bereich der e-Mobilität eine Vielfältigkeit der verschiedenen Fahrzeugtypen entsteht und vom Nutzer auch gewünscht wird. So präsentierten einige Aussteller neben den klassischen Motorrädern und Mopeds auch e-Bikes und e-Scooter. Horwin präsentierte neben den Klassikern und einer leistungsstarken Geländemaschine den e-Scooter GT Slider II mit 25 km/h, der ab März 2023 mit ABE-Zulassung auf den Markt kommen soll. Allerding erfuhren wir auch, dass die leistungsstarke CR6 Pro mit elektrischem Schaltgetriebe nicht mehr gebaut wird. Kaum auf dem Markt ist sie auch schon wieder weg – denn wer elektrisch fahren möchte verzichtet gerne auf das eher lästige Schalten.
Ebenso haben Yadea und Rolektro ihre Produktpalette um e-Bikes und e-Scooter erweitert. Auch Si.o bietet innovative und zudem qualitativ hochwertige e-Motorräder in der Klasse L1e und L3e an. Zudem finden wir bei Si.o den stylischen S 1.1 Cityflitzer, ein echter Eyecatcher.
Wer es ganz ausgefallen mag und auch im Winter elektrisch auf der Schneepiste mobil sein möchte, dem empfehlen wir den e-Scooter mit Schneekufen und Raupenantrieb.
Testfahrten im e-Parcours solange der Akku hält
Am Rande der thematisch auf e-Mobilität spezialisierten Halle 8 gab es die Möglichkeit zahlreiche Fahrzeuge vom e-Scooter über das e-Bike bis hin zum e-Moped zu testen. Leider konnten nicht alle Fahrzeuge dort ihre Stärken zeigen, denn das Lademanagement war nicht optimal organisiert. Sehr gute Einweisungen erhielten wir von NIU, Emco und S.IO, deren Mitarbeiter direkt vor Ort die Testfahrer instruierten und auch ein Feedback abfragten. Obwohl die Fahrzeuge aus Sicherheitsgründen gedrosselt waren, konnten wir uns einen guten Eindruck über das Fahrverhalten der unterschiedlichen Fahrzeugtypen bilden. Für uns persönlich zeigte sich, dass die deutschen und österreichischen Hersteller nicht nur in Qualität der einzelnen Komponenten, sondern auch im Fahrverhalten besser punkten konnten als die internationalen Anbieter.
Insgesamt war der Besucheranteil an den Publikumstagen doch noch erfreulich hoch, wenn auch der Andrang in der Halle der Elektrofahrzeuge deutlich geringer war als bei den renommierten Herstellern der Verbrennerfahrzeuge. Dennoch zeigten sich die meisten Aussteller zufrieden mit der Resonanz. Bemerkenswert allerdings, dass doch namhafte Hersteller der zweirädrigen e-Mobilität wie beispielsweise NIU, Ninebot, Kumpan, Cake, Romex Silence, Super Soco, SUR-RON, Trinity, Vässla und auch Harley Davidson nicht auf der Intermot ihre Fahrzeuge präsentierten. Es fragt sich, ob eine solch bedeutende Fachmesse so ihre Attraktivität auf Dauer aufrechterhalten kann.
Die nächste INTERMOT findet vom 5. bis 8. Dezember 2024 statt.