Nach 2019 fand das „Festival“ für nachhaltige Technologien erstmals wieder „in Präsenz“ statt, diesmal auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tegel. Neben der „exhibition“ ist einem leeren Flugzeug-Hangar gab es auch einen großen Open-Air-Bereich auf dem Vorfeld, sowie weitläufige Testfahrt-Möglichkeiten auf den früheren Start- und Landebahnen. Hier konnte man die verschiedenen Modelle ausgiebig er-fahren.
Ein wenig überraschend fand sich gleich im Eingangsbereich der Halle ein großer Stand von Shell sowie einer der Lufthansa – beide mit recht wenig Bezug zu „grüner Technologie“. Hoffentlich wird von diesen und anderen Konzernen der „Verbrennerwelt“ künftig mehr zu sehen sein, als halbherzige Auftritte auf ähnlichen Events. Sonst müssten man wohl eher „green washing“ vermuten …
Ganz anders war da schon der Stand der Bahn, die den „Ideenzug“ für den ÖPNV der Zukunft präsentierte, der tatsächlich auch betreten werden konnte. Zwar standen hier vor allem die Raumkonzepte im Vordergrund, aber tatsächlich hat man sich auch über die Mitnahme z.B. von e-Scootern Gedanken gemacht – und zwar inklusive der Lade-möglichkeit! Aber wenn so der ÖPNV künftig aussieht, dann werden sich mehr Menschen dafür begeistern als über ein temporäres 9€-Ticket (mit dem ich übrigens per Bus zum Event gekommen bin). In dem Zusammenhang möchte ich auch ausdrücklich das gemeinsame Angebot von Festival und DB loben, per vergünstigtem Bahnticket nach Berlin anzureisen!
Ideenzug
Greentech Festival zeigt viele namhafte Aussteller
Nun aber zu den wirklich interessanten Ausstellern aus dem Mobilitätsbereich (in alphabetischer Reihenfolge!):
BMW CE04: Bereits auf der IAA hatten wir die ersten Fahrzeuge begutachten können, heute waren auch Testfahrten möglich, die nach Aussage von Presse-sprecherin Antonia Cecchetti stark nachgefragt wurden. Die Beschleunigung der Maschine ist wirklich - auch für ein e-Motorrad - phänomenal und man erreicht mühelos die Spitzengeschwindigkeit von (abgeriegelten) 120 km/h. Ein Bike, das auch eingefleischte Verbrenner-Fans begeistern sollte, trotz des sicherlich stolzen Preises ab 11.990€
BREKR: Auch unsere Freunde aus den Niederlanden waren mit ihrem e-Moped vertreten. Siehe hierzu auch unser Bericht von der IAA mobility – wir werden uns diesem Gefährt noch in einem ausführlichen Test widmen!
CAKE: Leider stand das tolle Bike aus Schweden recht einsam auf einem Stand von „The Latest“. Gerne wäre ich auch hier mal eine Runde gefahren, aber zum Glück hatte Michael Brecht ja schon von der micromobility berichtet. Ein ausführlicher Test ist in Planung – stay tuned!
eRockit: Über dieses außergewöhnliche Fahrzeug – ein Motorrad mit Pedalen – haben wir ja schon ebenfalls informiert. Auch bei der Finanzierung des Wachstums geht man innovative Wege: Aktuell läuft ein Angebot zur Zeichnung von Aktien, mit denen man direkter Miteigentümer des Unternehmens werden kann. Auch der Co-Founder des Greentech Festivals, Ex-Formel 1 Weltmeister Nico Rosberg, ließ es sich nicht nehmen, das eROCKIT auszuprobieren.
NOVUS: Erstmals konnte ich mir den Prototyp des “handcrafted” aus einem Guss gefertigten Vollcarbon-Bikes direkt ansehen und mit Gründer René Renger sprechen. Ähnlich wie Porsche-Chef Oliver Blume neulich im FAZ-Interview würde er sein Unternehmen - mit einem für das NOVUS One (limited founders edition) anvisierten UVP von 29.990€ - wohl nicht als Motorrad-Hersteller, sondern als Luxus-Anbieter bezeichnen. Wir sind auf jeden Fall gespannt auf den Launch-Event und eine erste Probefahrt!
Pave: …und wenn Du denkst, Du hast schon (fast) alles gesehen, kommen zwei Brüder - Caspar und Nicolaus Nagel - aus Berlin daher, die seit einigen Jahren in New York/Brooklyn leben, und präsentieren ihre Version eines urbanen e-Mopeds. Ich gebe es gerne zu, der Markt ist wirklich schwer zu überblicken, aber es ist toll, welche Innovationskraft er immer noch - oder jetzt erst recht - besitzt! Auch hier freue ich mich auf den ersten Praxis-Test.
Die beliebtesten e-Autos beim Greentech Festival
Das war´s zum Bereich der Zweiräder - aber es gibt in der Welt der e-Mobilität ja noch viel mehr (und demnächst auch auf voylt.com)! So zeigten tatsächlich auch einige Autohersteller ihre aktuellen e-Fahrzeuge:
Audi: Die VW-Tochter hat inzwischen ja eine durchaus breite e-Modellpalette, kämpft wie aller aber auch mit Lieferengpässen und langen Wartezeiten von über einem Jahr. Den größten Andrang fand daher die Probefahrt mit einem e-tron GT, hier musste man lange anstehen. Schneller ging´s beim e-tron Q4, obwohl gerade dieser wohl eher für den „Normalverbraucher“ erschwinglich sein sollte. Bei beiden Fahrzeugen konnte man die für Elektromobilität typische Beschleunigung und Agilität hervorragend erleben.
Fiat 500e: Diesen Klassiker muss man nicht mehr beschreiben, aber einfach lieben! Ein echtes Raumwunder für die Innenstadt und das Umland. Besonders das Cabrio macht Spaß (bis auf den trotz Umweltbonus doch recht üppigen Preis). Derartige Fahrzeuge helfen wirklich, die Verkehrswende im urbanen Raum voranzubringen!
Mini: Auch die BMW Group hat mit dem Mini COOPER Electric einen Kleinwagen elektrifiziert, was wir sehr begrüßen! Das Fahrverhalten ist wie beim Verbrenner-Modell ausgesprochen handlich und agil.
Skoda zeigte - wie schon auf der Power2Drive vor einigen Wochen - den neuen ENYAQ iV, einen e-SUV auf der MEB-Plattform des VW-Konzerns. Eine Probefahrt auf der Startbahn des ehemaligen Flughafens Tegel offenbarte die hohe Agilität des Fahrzeugs.
NAMX: Eine französisches Startup zeigt ein sogenanntes „HUV“ (Hydrogen Utility Vehicle), also ein mit Wasserstoff be-triebenes Fahrzeug. Das Design stammt von Pininfaina, die Technologie von den beiden Gründern. Die hier gezeigte Studie ist noch nicht fahrbereit, der Marktstart frühestens für 2025 angedacht. Aber das Konzept klingt interessant: Neben einem fest verbauten Wasserstoff-Tank können 6 weitere Kapseln im Heck ausgetauscht werden und bringen dann insgesamt eine Reichweite von rd. 800 km.
EDAG Citypod: Der Engeneering- Partner der Autoindustrie hat ein spannendes Konzept für die (autonome) Mobilität der Zukunft entwickelt: Den City-Pod. Nach eigenen Angaben frühestens wohl 2030, evtl. bereits in lokalen Pilot-anwendungen, soll das autonom fahrende Zugfahrzeug verschiedene „Anhänger“ vom Gütertransport bis hin zum Event-Mobil bewegen. Siehe ausführliches Whitepaper.
e.volution: Aus der Ideenschmiede des Aachener Mobilitäts-Pioniers Prof. Dr. Günther Schuh stammt diese Studie für einen Pendler-Shuttle mit Namen META.
Elektrofahrzeuge der Klassen L6/L7 nicht präsent, aber Konzepte für Luft und Wasser
Leider habe ich die vielen interessanten Startups aus dem LEV-Segment vermisst, lag das vielleicht auch den wohl sehr hohen Preisen für einen Messestand? Und was gab´s sonst noch? e-Mobilität beschränkt sich schon lange nicht (mehr) nur auf die Straße, sondern geht auch aufs Wasser und in die Luft - da müssen wir doch mitgehen, oder?
Aerofoils: Eingefleischten Wassersport-Fans sicherlich schon bekannt ist das gemeinsam mit Audi entwickelte e-Foil-Konzept aus Garching, das für den stolzen Preis von 12.499€ vorbestellt werden kann. Dafür soll man dann aber in atemberaubender Art über´s Wasser „fliegen“. Eindeutig: Wir werden uns der maritimen e-Mobilität noch verstärkt widmen müssen!
AQUASPEEDER: Da kommt das gezeigte Konzept aus Duisburg genau richtig: Sieht aus wie ein Jet-Ski, ist aber keins. Denn angetrieben wir der Aquaspeeder von einem Propellor und kann daher ab 16 Jahren auch ohne Bootsführerschein auf Binnenseen gefahren werden. Mit Platz für 2 Personen und einer kleinen Badeplattform kann dies ein echtes e-Fahrzeug für die breite Masse werden. Ein Preis konnte allerdings noch nicht genannt werden, die Serienproduktion soll spätestens in 2023 starten.
Studie Zero One: Auch wenn die hier gezeigte Studie noch eine Vision ist, so zeigt die Prämierung durch das BMWK im Rahmen der „Reallabore“, dass man auch seitens der Politik durchaus an eine Umsetzung in naher Zukunft glaubt. Gerade auch die maritime Mobilität sollte sich schnellstmöglich vom Verbrennermotor mit all ihren umweltschädlichen Nebenwirkungen verabschieden!
NEX: Die NEX Aero GmbH ist ein Luft- und Raumfahrtunternehmen, das ein wasserstoffbetriebenes senkrecht startendes und landendes Langstreckenflugzeug entwickelt. Gezeigt wurde ein „fliegender“ Prototyp im 25 %-Maßstab mit einem Brennstoffzellensystem und ein Mock-up in halber Größe.
Fazit:
Resumée eines Festival-Tages: Nach meinem ersten Besuch 2019 – damals noch in Kombination mit der Formel E auf dem Tempelhofer Feld – bin ich ehrlicherweise nicht mit allzu großen Erwartungen nach Berlin gereist. Gefühlt wurde erneut ein großer medialer Aufwand mit verschiedenen „Stars“ betrieben, um das Festival zu einer Art „Must be“ der Prominenz aus Wirtschaft, Politik und Medien zu machen. So wurden die GreenTech-Awards am Vorabend zu einem Roter-Teppich-Event nach Art von Filmfestspielen und zu einem Ticketpreis von knapp 1.700€ - hilft das auf dem Weg zu „grüner Technologie“? Nun ja, ich hoffe es! Die Exhibition-Tickets waren immerhin für 10€ erhältlich und somit konnten sich viele Interessierte auf dem Gelände umschauen.
Was habe ich erneut vermisst? Das gesamte Spektrum der e-CargoBikes und e-Nutzfahrzeuge! Es stand zwar ein ONO halb versteckt in der Halle, aber verglichen mit der Aufmerksamkeit, die dieses Fahrzeug z.B. in Paris auf der VIVA Technology erfahren hat, eindeutig schade!
Ja, das GreenTech-Festival ist nicht „nur“ auf Mobilität begrenzt, was sicher auch Vorteile hat. Aber leider entsteht dadurch auch das Bild eines unstrukturierten „Sammelsuriums“ von der Öko-Seife über Second-Hand-Kleidung bis hin zum Prototyp eines Flugtaxis. Das lässt sich in Zukunft noch besser organisieren, vielleicht mit verschiedenen Themenwelten?