Build Your Dreams, dafür steht BYD. Das Unternehmen wurde 1995 in Shenzhen in China gegründet. Ich fahre nun seit 7 Monaten den BYD Atto 3 in der Designvariante. Es gibt viel Gutes zu berichten, aber auch ein paar Nachlässigkeiten muss man bei dem chinesischen Elektro-SUV in Kauf nehmen. Der Langzeit-Test über den Winter zeigt deutlich wo der BYD Atto 3 seine Stärken und Schwächen hat. Darüber berichte ich in diesem Testbericht.
BYD etabliert sich am europäischen Automarkt
Der chinesische Autobauer war schon früher als Hersteller von wiederaufladbaren Batterien marktführend und spezialisierte sich neben Akkus für Mobiltelefone , Kameras und Laptops auch auf Auto-Batterien. Inzwischen ist BYD der größte Produzent von Elektroautos weltweit und startet in Europa seine Vertriebsoffensive. BYD will den Angaben zufolge künftig mit der eigenen Charterflotte den Export chinesischer Pkw nach Europa beschleunigen. Per eigenem Autofrachter „Explorer No. 1“ hat BYD im Februar diesen Jahres 3.000 Fahrzeuge importiert. Weitere sollen folgen. Somit ist der Hauptsponsor der EM 2024 für die zu erwartende Nachfrage gerüstet.
Das Design des BYD Atto 3 ist gelungen
Optisch gesehen macht der BYD Atto 3 einen sehr guten Eindruck. 2019 eröffnete BYD sein Design Center, in dem ehemalige Mitarbeiter von Audi, Ferrari und Mercedes arbeiten. Chefdesigner ist Wolfgang Egger, der schon bei Alfa Romeo, Seat, Lancia und Audi die designerische Entwicklung leitete. Entsprechend "europäisch" fallen die neuen Modelle in puncto Optik und Qualität aus. So wirkt der BYD Atto 3 von außen modern und zeitlos. LED-Scheinwerfer und durchgehende Lichtleisten vermitteln dem e-SUV einen modernen Look. Die C-Säule ziert eine Chromapplikation, die laut BYD an die Schuppen eines Drachens erinnern soll. Die Fläche der Heckscheibe fällt relativ gering aus und der Überstand des Dachspoilers ist sehr ausgeprägt. Auffällig ist die ausgeschriebenen Markenbezeichnung „Build your Dreams“ auf der Heckfläche.
BYD Atto 3 im Test: Das Interieur ist verspielt pfiffig.
Die Mittelkonsole erinnert an eine Flugzeug-Cockpit mit dem Wählhebel der Fahrstufen und den senkrechten Lüftungsscheiben über der Induktionsladeschale für das Handy. Die elektrisch einstellbaren Sitzschalen und Innenverkleidungen sind aus veganem Leder mit farblich abgesetzten Ziernähten, was einen sehr hochwertigen Eindruck vermittelt. Die Haltegriffe sind in Chromoptik, nach längerer Nutzung zeigt sich allerdings: hier wurde billiges Plastik verbaut. Zum Öffnen der Türen orientiert man sich an den aufgesetzten Lautsprechergehäusen, deren Einrahmung als Türöffner fungiert. So mancher Beifahrer saß schon irritiert auf dem Sitz und suchte fragend nach der Möglichkeit die Tür zu öffnen. Einmal den Lautsprecher nach hinten drehen und die Tür öffnet sich. Gespannte rote Schnüre, die wie bei einer Gitarre sogar gestimmt sind, geben in den Seitentüren Halt für größere Flaschen. Mit etwas Gefühl lässt sich hier „Smoke on the Water“ anstimmen. Die Ambientebeleuchtung ist individuell einstellbar, auf Wunsch sogar dynamisch im Takt der Musik – etwas zu viel der Spielerei, wie ich finde.
Großes Touch-Display mit 90-Grad-Drehung
Ein Highlight des Cockpits ist sicher das drehbare Infotainment-Bedienteil. Auf Knopfdruck kann das 12,8 oder 15,5 Zoll große Display z. B. für die Navigation senkrecht und zum Filmschauen beim Laden waagerecht gestellt werden. Hier lassen sich alle Funktionen und Einstellungen definieren, die das Fahrzeg betreffen (Klima, Musik, Navigation, Fahrmodi, etc.), denn herkömmliche Dreh- oder Kippschalter sucht man vergeblich. Je nach Lichtverhältnissen, z. B. starkem Sonnenschein, ist das Display allerdings schwer ablesbar. Wem die Menü Führung zu kompliziert ist, dem empfehle ich die gängigen Shortcuts, die man über einen kleinen Fingerwisch in der oberen rechten Ecke nach unten erreicht. Ebenso reicht in vielen Fällen auch ein einfaches „Hey BYD“ aus und die Spracherkennung assistiert bei der Eingabe. So kann per Sprachbefehl die Sitzheizung aktiviert werden oder auch die Fenster lassen sich ferngesteuert öffnen oder schließen. In manchen Fällen habe ich allerdings auch den Eindruck, dass mein BYD nicht alles so versteht, wie ich das wirklich meine. Aber da geht es nicht nur meinem Auto so 😉
Darüber hinaus gibt es zahlreiches Fahrerassistenzsysteme (ADAS), die voll integriert sind. Sie warnen per Sprachausgabe oder Warntönen vor möglichen Gefahren wie Tempolimitüberschreitungen oder dem Nicht-Angeschnallt-Sein. Zusätzliche blinkende rote Ambientebeleuchtung unterstreicht die drohende Gefahr – manchmal etwas zu viel des Guten. Der Spurhalteassistent warnt bei zu viel Nähe zur seitlichen Fahrbahnmarkierung – leider ist das fast ständig der Fall und kann gehörig nerven. Die Verkehrszeichenerkennung ist GPS-gesteuert, da wird auf der Autobahn auch mal die 30er-Zone der benachbarten Wohnstraße angezeigt. Inzwischen erkennt der BYD auch Ortseingangsschilder, aber nicht jedes Tempolimit wird richtig interpretiert. Verlässlichkeit ist anders. Dank eines der Over-the-Air-Updates wurde das chinesisch geprägte AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) in der Lautstärke runtergeregelt. Eine Wohltat für die Ohren, denn der Sound war mehr als deutlich zu hören – für alle Beteiligten. Insgesamt sind die Over-the-Air-Updates eine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Funktionen, z. B. der Deutschsprachigkeit des Sprachassistenten. Nur leider bleiben immernoch ein paar offene Punkte, wie die Routenplanung inklusive Ladestopps oder die die Empfindlichkeit der Parksensoren, die sehr spät reagieren. Da hätte man sie auch weglassen können.
Komfortabler Innenraum mit viel Platz
Mit einer Länge von 4,46 Metern bietet der Atto 3 ausreichend Platz für Fahrer und Beifahrer. Die elektrisch einstellbaren Vordersitze haben Seitenwangen mit einem angenehmen Seitenhalt. Die Materialien sind aus veganem Leder und in den Seitenverkleidungen auch unterschäumt. Die Mittelarmlehne ist breit und bietet ein großes Staufach. Tipp: Als Zubehör habe ich mir einen Fächereisatz für Kleinigkeiten bestellt, so gelingt eine sinnvolle Aufteilung des Staufachs.
Der Fußraum im Fond ist durchgängig und großzügig dimensioniert, was für die hinteren Insassen überaus angenehm ist. So viel Beinfreiheit findet man selten. Die Kopfstützen müssen für die Fahrt angepasst werden, sonst drücken sie im oberen Schulterbereich. Die Kopffreiheit ist bis zu einer Körpergröße von 1,80 m gegeben. Darüber hinaus wird es eher unbequem. Allerdings entschädigt hier der weite Ausblick gen Himmel durch das eindrucksvolle Panorama Glasschiebedach mit Sonnenschutzrollo. Beide Elemente lassen sich elektronisch bis in den hinteren Bereich großzügig öffnen.
Der Kofferraum fasst nur durchschnittliche 440 Liter, ist mit geklappten Sitzen immerhin auf bis zu 1.300 Liter erweiterbar. Der doppelte Boden kann dank Höhenverstellung in zwei Stufen individuell angepasst werden. Hier können Ladekabel und Co. sicher verstaut werden. Einen Frunk im Motorraum gibt es leider nicht. Bisher gibt es auch noch keinen Anbieter, der einen passenden Nachrüstbausatz anbietet. Schade, denn unter der Motorhaube ist noch viel Platz, der so leider ungenutzt bleibt. Die Hutablage hängt an zwei Fäden und ist mehr Schein als Sein.
Ist der BYD Blade-Akku besser?
Alle BYD Modelle nutzen die Blade-Batterie-Technologie. Dabei handelt es sich um Platten aus Lithium-Eisenphosphat, die kompakt nebeneinander gestapelt werden und weniger hoch bauen als Lithium-Ionen-Packs. Die Blade-Batterie – BYD beliefert damit auch Tesla – sorgt für eine höhere Effizienz in Bezug auf Leistung, Reichweite sowie Lebensdauer und ist auch unempfindlicher gegen äußere Verletzungen. Die BYD-Klingenzellen haben sogar den anspruchsvollen Nageltest bestanden, bei dem ein großer Nagel quer durch die Akkus getrieben wird, während herkömmliche Energiespeicher mit einem lauten Knall in Flammen aufgehen. Somit gilt die BYD Blade-Batterie als nicht brennbar. Auch die Betriebstemperatur zwischen 35 und 55 Grad Celsius trägt zur Sicherheit bei.
Der 60,48 kWh starke Akku ermöglicht nach WLPT eine Reichweite von bis zu 420 km. Ich selbst bin den BYD Atto 3 nun über einen ganzen Winter gefahren. Und tatsächlich habe ich mit einer 100 % Ladung nur ca. 300 km (kombiniert) geschafft. Der Durchschnittsverbrauch lag bei 18 bis 20 kWh. Das ist zwar für mich ausreichend, jedoch deutlich unter der angegebenen WLPT-Leistung. Und dass trotz des angeblich kälteresistenteren BYD Akku. Im Sommer erwarte ich hingegen deutlich bessere Ergebnisse.
BYD Akku: Ladeleistung
DC-Laden ist beim Atto 3 mit einer Ladeleistung von 88 kW im Peak möglich. Damit lädt der Kompakt-SUV laut Hersteller in nur 29 Minuten von 30 auf 80 Prozent. An der AC-Wallbox lädt der Atto 3 serienmäßig dreiphasig und mit bis zu 11 kW. Allerdings ist das Laden in der Realität etwas langwieriger, denn wenn die SoC bei 60 % liegt, zieht der Atto 3 nur ca. 6,9 kWh in 7 Minuten während des Schnellladens. An einer öffentlichen AC-Ladesäule lade ich immer um die 0,18 kWh in der Minute, das macht 7,2 kWh in 40 Minuten. Und auch für 38,6 kWh brauchte ich über 3,5 Stunden.
In der Vergangenheit habe ich mich schon öfters darüber gefreut, dass die Tesla Supercharger nun auch Fremdmarken das Laden ermöglichen. Leider gilt das nicht für den BYD Atto 3, denn diese Automarke wird an den gängigen V3-Superchargern von Tesla trotz CCS-Ladeanschluss nicht unterstützt.
Der BYD Atto 3 unterstützt bidirektionales Laden. Im Lieferumfang ist eine 3-fach-Schukosteckdose, die per Typ-2 Stecker am Ladeanschluss eingesteckt werden kann. So kann zum Beispiel ein Elektrogrill beim Picknick im Grünen problemlos betrieben werden.
Tipp:
Der BYD sollte einmal wöchentlich auf 100 % geladen werden, damit die BMS Kallibrierung stimmt. Es ist in einigen Fällen schon vorgekommen, dass ein Restladezustand von wenigen Prozent angezeigt wurde, tatsächlich aber sehr viel weniger Ladeleistung vorhanden war, sodass der Wagen liegen blieb. Leider gibt es keinen manuellen Schalter zur entrigeln des Ladesteckers. Sollte der Ladevorgang manuell gestoppt werden müssen: 2x auf den Türöffner beim Schlüssel drücken. Dann kann man den Ladestecker abziehen.
BYD Atto 3 Test: Fahreigenschaften
Fahrwerk gut abgestimmt, sehr komfortabel, Bodenunebenheiten werden gut abgefedert. Das Lenkrad liegt gut und kompakt in den Händen. Die Lenkung reagiert schnell und verleiht ein sportliches Fahrgefühl. Insgesamt ist der BYD Atto 3 sehr angenehm zu fahren und hinterlässt ein positives Fahrgefühl.
Welche BYD Modelle kann man in Deutschland kaufen?
BYD startete in Europa mit 3 Modellen: der BYD Atto 3, der Han als Limousine und dem Tang als großer SUV für 7 Personen.
Mittlerweile wurde das Sortiment um drei Modelle erweitert. Der BYD Dolphin ist ein Kompaktwagen à laVolkswagen ID. 3, der BYD Seal ist eine Limousine, die dem Tesla Model 3 ähnelt und der BYD Seal U ist ein elektrisches Mittelklasse SUV. Auf alle Modelle gibt der Hersteller 6 Jahre (oder max. 150.000 km) Garantie auf die Batterie.
Den Vertrieb leisten in Europa namhafte Autogruppen, wie beispielsweise die Senger Gruppe, die unter anderem auch in der Kölner Innenstadt einen BYD Concept Store betreiben. Dort konnte ich den BYD Atto 3 Probe fahren und habe eine ausführliche Beratung zum Fahrzeug erhalten. Die Mitarbeiter sind speziell geschult und wahre BYD-Experten, die je nach Verfügbarkeit sehr attraktive Konditionen anbieten können und mich während des gesamten Kaufprozesses jederzeit mit Rat und Tat zur Seite standen.
Was kostet ein BYD Elektroauto?
Die Preise passen sich der aktuellen Marktsituation an. Nach Wegfall der Bafa-Förderung senkte auch BYD seine Preise. Aktuell beläuft sich der aktuelle Listenpreis des BYD Atto 3 Comfort auf 37.990 €. Die Designvariante kostet 39.990 €.
Der BYD Tang ist ab 69.615 € zu haben, der BYD Seal Design ab 44.990 €. Der kompakte Dolphin ist ab 32.990 € bestellbar, die anderen Modelle auf Anfrage. Zum Teil gibt es günstige Leasingangebot, hier lohnt sich ein Preisvergleich bei den verschiedenen Anbietern.
Fazit:
Der BYD Atto 3 hat einiges zu bieten und vermittelt Fahrkomfort und Freude am elektrischen Fahren. Die aktuellen Elektroautos chinesischer Herkunft können in puncto Antrieb, Konnektivität und Qualität problemlos mit den Angeboten der etablierten Anbieter mithalten. So erstaunen mich doch die zahlreichen Funktionen, die dieses Auto serienmäßig bietet. Hier und da gibt es kleine Abstriche. Das Design ist mir persönlich im Innenraum etwas zu verspielt, aber das ist Geschmackssache. Die etwas nervigen Assistenzsysteme kann ich ausblenden. Für meinen alltäglichen Gebrauch ist die Reichweite und die Ladeleistung vollkommen ausreichend. Die inneren Werte der umweltfreundlichen LFP-Batterie haben mich schon im Vorfeld überzeugt. Der BYD ist ein tolles Auto für die urbane Mobilität. Ein Reiseauto ist es allerdings nicht. Da haben andere Hersteller bessere Modelle. Je nach Angebot kann man mit dem BYD Atto 3 ein preisgünstiges Elektroauto erwerben, das Fahrspaß garantiert.
Technische Herstellerangaben: BYD Atto 3 Design (ab 04/23)
Motorart: | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung): | 150 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung): | 204 |
Drehmoment (Systemleistung): | 310 Nm |
Antriebsart: | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h: | 7,3 s |
Höchstgeschwindigkeit: | 160 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch): | 420 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP): | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP): | 15,6 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh: | 60,5 |
Ladeleistung (kW): | AC:7,0-11,0 / DC:88,0 |
Kofferraumvolumen normal: | 440 l |
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