Reichweite ist relativ
Viele Zweifler der e-Mobilität kritisieren die fehlende Reichweite von Elektrofahrzeugen. Die Angabe der Reichweiten nach WLPT-Standard (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure), einem einheitlichen Prüfzyklus zur Bestimmung von Schadstoffemissionen, Kraftstoff-/Stromverbrauch und Reichweiten, ist jedoch relativ. Die hier ermittelten Reichweiten werden unter „klinischen Bedingungen“ ermittelt: bei 14 bis 23 Grad Celsius in einer Halle, ohne Klimaanlage und nur einem Fahrer und 15 % Zuladung auf einer Strecke von 23 km.
Reale Bedingungen im Alltag sehen anders aus. Ein entscheidender Faktor ist beispielsweise die Außentemperatur. So erreichen e-Fahrzeuge im Sommer andere Reichweiten als im Winter. Reifengröße, Reifendruck, Straßenbelag, Fahrstreckenprofil, etc. haben weiteren Einfluss auf die Reichweite. Nicht zuletzt ist auch die Fahrweise entscheidend. Ab einer Geschwindigkeit von mehr als 120 km/h steigt der kW/h-Verbrauch überproportional und die Reichweite sinkt dementsprechend rapide.
Ebenso das Streckenprofil ist entscheidend. Die Reichweite baut sich auf gerader Ebene relativ konstant ab. Bei Steigungen steigt der Energieverbrauch. Jedoch vermindert dieser sich auch bei Bergabfahrten. Dazu rekuperiert das Elektrofahrzeug, was dazu führt, dass im Gebirge sogar Reichweiten unter dem WLTP-Verbrauch erreicht werden können.
Die Fahrzeuge bieten oft unterschiedliche Fahrmodi an, um den Stromverbrauch bei der Nutzung effizienter zu gestalten. Hier ist der Grad der Rekuperation individuell eingestellbar.
Was ist Rekuperation?
Beim Fahren eines Elektrofahrzeugs fällt auf, dass die Rücknahme vom Gas nicht nur eine natürliche Verlangsamung zur Folge hat, sondern zusätzlich auch ein Bremseffekt einsetzt. Dadurch kommt das Fahrzeug schneller zum Stehen. Dabei wandelt der Motor die Bewegungsenergie in Strom um. Rekuperation ist als die Rückgewinnung von Energie, die dann direkt wieder als Antriebskraft zur Verfügung steht und somit die Reichweite verlängert.
One-Pedal-Driving – die neue Art des entspannten Fahrens
Im Idealfall ist das Betätigen der Bremse beim Elektrofahrzeug kaum noch notwendig. Das Betätigen des Gaspedals bestimmt beim E-Auto die Geschwindigkeit also nicht alleine, sondern auch das Loslassen. Wie stark die Geschwindigkeitsregelung per One-Pedal-Driving erfolgt, definiert der Hersteller. Als erste große Marke hat Nissan die Verzögerungs- und Rekuperationsleistung auf Knopfdruck so stark gestellt, dass das Lupfen des Gaspedals einem sanften bis mittel energischen Tritt auf die Bremse entspricht. Das "Fahren mit einem Pedal" empfinden die Fahrer nach einiger Gewöhnung oft als sehr angenehm. Ein Bremspedal kann folglich "links liegen bleiben". Es kommt nur noch für besonders starke Verzögerung oder im Notfall zum Einsatz. Positiver Nebeneffekt: Bremsscheiben und -beläge werden weniger beansprucht. Dadurch halten diese deutlich länger.
Rekuperieren oder Segeln?
Segeln ist eine ebenso energiesparende Fahrweise, die gerne von Elektroauto-Fahrern angewendet wird. Hierbei wird die Rekuperation weitgehendst deaktiviert und sehr vorausschauend gefahren. Das Gaspedal wird nur betätigt, wenn es notwendig ist, auf das Bremsen verzichtet der Fahrer, wo es die Situation zulässt. Das Fahrzeug rollt einfach - es segelt geradezu über die Fahrbahn und nutz die physikalischen Kräfte von vorhandener Geschwindigkeit und Masse. Unter idealen Bedingungen befindet sich das e-Auto dabei im Windschatten eines anderen Fahrzeugs, z. B. einem LKW auf der Autobahn. Mit dieser sehr effizienten Fahrweise lassen sich einige Mehrkilometer Reichweite erfahren.